Volltextsuche


Kommentar

Zurück zum Diskussisonsforum


Beitrag vom 03.07.2008
Betreff: "EZB-Entscheidungen"
Von: Heinz Scherer


Sehr geehrter Herr Flassbeck,

ich bin begeistert, endlich mal einen Artikel zu lesen, der nicht falsche Allgemeinplätze wiederholt, sondern durch eigenständige Analysen überzeugt.

Ich möchte Ihnen an meinem eigenen Erlebnis schildern, wie ich durch EZB-Entscheidungen mit Inflation zu kämpfen habe.

Mich regt es momentan sehr auf, dass ich als kleiner Privatinvestor (baue gerade Mehrfamilienhaus zum Vermieten) mit einer extremen Inflation produziert durch die EZB zu kämpfen habe, was mir schlaflose Nächte bereitet, da ich immer noch eine halbe Mio. an Krediten benötige und diese auch nachgeworfen bekomme, wegen Topsicherheiten, aber viel zu teuer abschließen müßte. Das gefährdet das Vorhaben an Familein zu vermieten.

Nicht Energiekosten sind das Problem vieler kleiner Firmen und kleiner Privatinvestoren, sondern Kreditkosten der Firma oder des Projekts.

Mein größter Kostenblock sind Bauzinsen. Hier gab es eine Preissteigerung von über 50% seit Herbst 2005. Wenn das keine selbstgemachte Inflation ist, was dann?
Ich glaube das Huhn-Ei-Problem wird übersehen. Wer war zuerst da, die Inflation oder die höheren Zinsen.
Und was spielt es für eine Rolle, ob durch Kredite mehr Geld im Umlauf ist, wenn dadurch echte Wertschöpfung entsteht. Davon leben wir doch alle auf der Welt. Spekulation war noch nie abhängig vom Zinsniveau. Das jeweilige aktuelle Zinsniveau beeinflußt höchstens wie dann gerade spekuliert wird.

Wie sie in Ihrem Artikel treffend feststellen, beeindruckt Rohstoff- und andere Spekulanten nicht, ob der Zinssatz der EZB von 2,0% auf inzwischen 4,25% gestiegen ist. Mich beeindruckt das aber enorm.

Ich habe den Mut zur Investition in Höhe von 1,4Mio (85% Kreditfinanziert)gefasst, als die Zinsen endlich mal vernünftig niedrig waren. Da man mit Mieten in normalen Zinszeiten kein Bauprojekt auch nur annähernd finanzieren kann ist der Mietwohnungsbau auf steuerliche Mithilfe angewiesen. Da diese inzwischen sehr schlecht sind, gibt es fast keine Mietwohnungsbau mehr.
Ich habe Ende 2005 gerade noch rechtzeitig einen Bauantrag stellen können, um noch degressiv abschreiben zu können. Aus diversen sehr ärgerlichen Gründen hat sich die Planungsphase sehr lange hingezogen. Des Weiteren konnte ich erst ab einem bestimmten formalen Zeitpunkt konkrete Kredite besichern. Wie das häufig bei geplanten Projekten ist.

Nun ist die ganze Kalkulation im Eimer, obwohl ich immer daran geglaubt hatte, dass die Zinsen doch wieder auf 2005er Niveau kommen müßten, so wie die Weltwirtschaft sich gerade entwickelt.

Nun kann ich das aber nicht mehr aussitzen, denn ich muss nun in der letzten Bauphase das Geld einfach aufnehmen.

Wenn ich jetzt aber auf Zinssenkungen in 1-2 jahren hoffe, die meine Kalkulation retten(Mieten kann ich nicht einfach erhöhen), muss ich variabel finanzieren. Mache ich das auch, könnte ich durch weiter steigende Zinsen in allergrößte Schwierigkeiten geraten. Sicher ich das durch CAP-Modelle ab, wird das extrem teuer und mein Projekt rechnet sich gar nicht mehr, da ich nicht mal mehr diese Kredite tilgen könnte, außer meine kleine Softwarefirma wächst(im Abschung).

Jetzt denke ich schon darüber nach zwei Wohnungen zu verkaufen, um aus dem Dilema herauszukommen. Also wieder mal keine schönen Vierzimmerwohnungen für Familien die Mieten möchten.

So ist die Realwirtschaft, über die Banker so gerne theoretisieren ohne die wirklichen Parameter für eine korrekte Theorie zu kennen.

Ich hoffe meine Darlegungen haben Sie nicht gelangweilt und regen zu weiterem Nachdenken an.

Ich hoffe ja immer noch darauf, dass irgend jemand mit Anerkennung in Finanzkreisen das derzeitige Denkmodell ins Wanken bringen kann. Deshalb nochmals herzlichen Dank für Ihren erstklassigen Artikel.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Scherer, Dipl.-Ing.(FH)
Geschäftsführender Gesellschafter
ASBiON Software GmbH
www.asbion.de