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Kommentar

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Beitrag vom 14.04.2009
Betreff: "Gescheitert"

Von:Günter Kieren


Sehr geehrter Herr Dr. Flassbeck,

ich habe Ihr aktuelles Buch "Gescheitert" gelesen und finde dieses sehr gelungen. Dies gilt auch bezüglich der Verständlichkeit für ein breiteres Leser-Publikum.

Zwei Anmerkungen möchte ich Ihnen mitteilen:

1.) Sie schreiben auf Seite 106:

"Im Inland sind in der Vergangenheit die Löhne in den Dienstleistungsbereichen den Löhnen in der Industrie weitgehend gefolgt, obwohl die Produktivität dort weniger rasch gestiegen ist."

Die IMK-Studie "Deutsche Arbeitskosten steigen im europäischen Vergleich nur gering Auswertung der aktuellen Eurostat-Statistik"

http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_34_2008.pdf

zeigt, daß sich zumindest die absoluten Stundenlöhne im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungsgewerbe insbesondere in Deutschland deutlich unterscheiden:

- Verarbeitendes Gewerbe: 32,00 Euro (Rang 4 im europäischen Vergleich),
- Dienstleistungsgewerben: 25,60 Euro
(Rang 10 im europäischen Vergleich).

Diese Absolut-Werte sagen zwar nichts aus bezüglich der zeitlichen Entwicklung der Stundenlöhne. Jedoch zeigen sie, daß zumindest die absolute Höhe der Stundenlöhne die unterschiedlichn Produktivitätsniveaus auch und besonders in Deutschland wiederspiegeln.

2.) Sie beschreiben auf Seite 148 an Hand eines Beispiels zur 25%-Renditeforderung von Herrn Ackermann:

"Wenn aber ein einzelner Kapitalist (wie der berühmte Herr Ackermann) so tut, als könne er ohne besondere Anstrengung zur Produktivitätssteigerung des Ganzen und ohne Risiko auf lange Sicht 25 statt 3 Prozent Einkommenszuwachs ... pro Jahr erzielen, dann ist das Dummheit oder Demagogie."

Nach meiner Auffassung dürfen im vorliegenden Beispiel die 3% Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Einkommen nichtg mit dem 25-prozentigen Renditeziel Ackermanns verglichen werden. Der zutreffende Vergleich ist aus meiner Sicht der von Ackermann gewünschte ZUWACHS in der Renditeforderung von 8 Prozentpunkten (Anstieg von 17 Prozent auf 25 Prozent). Wobei allerdings durchaus kritisch darüber zu sprechen wäre, ob nicht bereits die ursprüngliche 17-prozentige Renditeforderung überzogen war.

Noch eine kleine Anmerkung zu Seite 144. Dort schreiben Sie:
"Auf welche Weise man eigentlich seine Rendite dramatisch erhöhen kann in einer Wirtschaft, die damals nur um 1 Prozent wuchs, fragte kaum einer."

Beim 1-prozentigen Anstieg handelt es sich um eine reale Größe, die 25-prozentige Renditeforderung ist eine nominale Größe (die im übrigen analog des Beispiels zur gesamtwirtschaftlichen Einkommenssteigerung um 3 Prozent nicht mit dem BIP-Anstieg verglichen werden darf). Bezieht man den Vergleich auf die VERÄNDERUNG von 17 auf 25 Prozent, dann mag die Aussage wieder stimmig sein: Man kann argumentieren, daß die Inflationsrate bereits in der ursprünglichen Renditeforderung von 17 Prozent implizit enthalten ist und somit nicht mehr bei der Erhöhung des Renditeziels um 8 Prozentpunkte in Abzug zu bringen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Kieren